Neulich in Rage. Schlafwandlerisch umschiffe ich zerborstene Geometrie, während ich die Raumkonturen mittels antrainierten, spasmischen Zuckungen in Sekundenschnelle auf Feindbewegungen analysiere. Und während sich meine Beine gerade über eine Brüstung schwingen, weil mir die linksläufig befindliche Treppe als ein unverhältnismäßiger Umweg erscheint, wechsle ich von Shotgun zu Schnellfeuerwaffe, sortiere die Munitionstypen nach Gefälligkeit, fragmentiere wahllose Mutantenbrustkörbe zahlreicher herumstreunender Subjekte, die in wenigen Momenten sicherlich als Gegner vorstellig werden, und schwängere die Luft mit umhersirrenden Wing-Sticks, dass jede aztekische Tempelanlage neidisch anlaufen würde. Und dann treffe ich auf den Boden auf. Blut steigt mir ins Blickfeld, schmerzhaft schreie ich auf, und während ich noch kontrolliere wie stark ich mir die Hitpoint-Leiste gestaucht habe, durchbricht ein generisch monströser Muskelstrang mit Uniformitäts-Komplex die Wand, und vollzieht das archaische Reviermarkierungsspiel. Ich will kein Spielverderber sein, und im Wissen um die Anstandsregeln eines Besuches, beantworte ich seine Raketensalven mit einem gut platzierten Patronenstrauß. Doch was ist das? Klatschten mir die vorigen Widersacher bei Beschuss ihrer zur Schau gestellten Extremitäten artig ragdoll`schen Applaus, goutiert das aktuelle Subjekt meiner Mordlust meine Bemühungen nicht mit der subtilsten Geste, ja es ignoriert mich ganzheitlich, und vollführt ungerührt seinen, im stillen Kämmerlein zur Perfektion getriebenen Reigen des Geschossverschusses.
Ich entschließe mich zur Wiederholung meines Achtungsausdruckes, denn, wer immer direkt aufgibt, hat es nicht verdient respektiert zu werden (sagt Muttern), und lege neuerlich auf das Monstrum an. Mit rückwärtiger Schrittfolge, es im ständigem Fokus, umtanze ich das Monster, und zeichne in meinem Tun so gekonnt geometrische Figuren in den Grund, dass, wenn ich solch eine grell brennende Magnesiumfackel im Hinterteil stecken hätte, mir ein Stipendium an der Kunstfliegerakademie sicher schiene.
Enttäuscht ob meiner Wirkungsohnmacht, und mit besorgtem Blick auf mein sich schnell leerendes Munitionsreservoir, überlege ich, ob die physische Überlegenheit des Gegners ein Fingerzeig zur Überlegung einer Taktik betreffs dessen Erlegung indiziert. Und während ich immer mehr dazu tendiere, den Fingerzeig des Schöpfers anzunehmen, (also die Komplettlösung zu sichten) weil mir die unhonorierte Verteilung der kleinen Wirkungsmacher zunehmend meine Schenkungsfreudigkeit vergällt, jault das Monstervieh plötzlich auf, und legt sich sodann schlafen. Ich bleibe konsterniert stehen. Hilflos nach dem Ursprung dieser abrupten Kontaktauf- und Aktivitätsabnahme suchend, ersinne ich mir die Erklärung einer besonders sorgfältig gefertigten Patrone germanischen Ursprungs, die sich nicht darin begnügte, die Muskelfasern lediglich zu touchieren, um dann satt und zufrieden in spröder Schalung zu verwelken, sondern sich mit der Dringlichkeit eines gesunden Spermiums, durch das innerste bohrte, den Lebenskanälen flussaufwärts folgend, erst am eigentlichen Wirkort sein schändlich Werk zu verrichten.
Fragwürdig erscheint mir allerdings die Notwendigkeit, gerade in Momenten der dramatischen Erregungssteigerung durch misslaunige Muskelknäuel, mein Wirken mittels der mir eigenen Fantasie ausgestalten zu müssen. Und so lasse ich den Fleischberg links liegen, und freue mich auf die kleinen Gegner die da kommen mögen. Jene, die in den kurzen Momenten ihrer Arrangierung, und in den längeren Momenten ihrer Derangierung, die angestammte Funktion meiner Machtausübung nicht infrage stellen werden.
Mein kleines Sujet des klassischen Ego-Shooters beschreibt (hoffentlich) recht eindrücklich den Spaß des mechanischen und waffengetriebenen Wahnsinns, der uns in diesen Spielen umweht. Gleichwohl adressiert er auch ein oder mehrere große Probleme.
Denn die gewaltbereite Konfrontation, deren Ende nur einen Überlebenden kennt, ist in ihrem Ausdruck das wohl stärkste Mittel der Entscheidungsforderung. Und leider gleichzeitig ein exzellenter Reaktionstest. Aus dieser Kombination, und unter Berücksichtigung der zusätzlich gebotenen Interaktion mit der Physik einer Spielewelt, der eigenen Machtdemonstration, und nicht zuletzt gewachsener kultureller Riten, versteht man, warum der Schusswechsel so gerne, und mittlerweile quasi obligatorisch, spielmechanisches Grundnahrungsmittel stellt.
Da sich ein Spiel aber entlang einer zeitlichen Achse bewegen muss, deren Maße bedeutend länger als der typische Tötungsmoment sind, ist der Spieldesigner entweder gezwungen den Moment der Tötung zu wiederholen, oder er streckt das Tötungsritual in die Länge.
Im Falle der Repetition einer so eindrücklichen wie bewusstseinsverändernden Tat wird ihr das Alleinstellungsmerkmal genommen. Sie trivialisiert jede andere Problemstellung und legitimiert den Spieler zur Lösungsfindung mittels Waffengebrauch. Die logische Folge wäre das Aufnehmen dieser Amoralität und anarchischen Entscheidungsfindung in den narrativen Strang eines Spieles. Wenn aber die gesellschaftliche Positionsbestimmung, die Menschlichkeit, das Emphatieempfinden und der klassische Dramaturgie-Kanon dadurch wegfallen, wie soll noch mittels jener Subtilität, jener Nuancierung und jener Graustufenverläufe die eine Geschichte aus ihrer Belanglosigkeit heben und emotionale Kerben schlagen, in uns Wirkung entfaltet werden?
Gängige Spiele nehmen dafür eine gedoppelte moralische Zweiteilung vor. Sie unterscheiden mittels einfachster Schwarz-Weiß Schemata einmal bezüglich der gameplayrelevanten Spielfiguren, und der narrativen Akteure. In jeder der beiden Kategorien gibt es den klassischen Antagonisten sowie den Sympathisanten. Der narrative Antagonist dient bis zum Showdown als begleitende, unantastbare Wutprojektion, während die gameplayrelevanten Gegnerscharen eine blasse Meute kugelsüchtiger Pylonen stellen, deren Bekämpfung weniger Ausdruck emotionaler Erregung, als vielmehr vorgreifende Verhinderung etwaig entstehender Langweile ist. Die gameplayrelevanten Sympathisanten zeichnen sich als gesichtslose Navigationselemente, oder mutterinstinktsweckende Wehrlose aus.
Überraschend dabei ist, wie sehr der gemeine Gamer das Prinzip mittlerweile verinnerlicht hat, und desgleichen auch annimmt. Weniger verwunderlich allerdings die Tatsache, dass sich Spieldesigner, im Wissen ihrer Diskrepanz von ausgearbeiteter Mechanik zum filmgegebenen Anspruch, weiterhin scheuen relevante und/oder persönliche Themen in Spielen anzusprechen.
Im Falle der Verzögerung des Tötungsvorgangs über längere Perioden wiederum leidet der Wirkungsanspruch des Spielers, der Krawall-Effekt seiner Bewaffnung, und die Glaubwürdigkeit des Szenarios. Der geschichtliche Weg der Spiele führt zu immer kürzeren Beschusszeiten pro Gegner (man vergleiche die Endgegner mancher Sidescroller, das Hitpoint-Konto der 90er Jahre Ego-Shooter und den aktuellen „Call of Duty“ Standard). Denn diese Erfahrung deckt sich am ehesten mit der gegebenen Realität. Der Mensch besitzt eben kein Lebenskonto, sondern Organe, deren Funktionsverlust eine recht unmittelbare Todesfolge bedingt. Und auch Tricksereien wie Helme, Schutzschilde oder Kevlar-Westen zögern den Todeszeitpunkt nicht auf ewig hinaus.
Das Anforderungsprofil an einen Shooter, dem man den Waffengang wohl nicht austreiben können wird, der aber in seiner Erzählstruktur ernst genommen werden will, besteht also darin, ausgedehnte Shootouts als Levelgestaltung zu integrieren, deren Bewältigung einen hohen Spaßfaktor besitzt, die Befriedigung des Spielers durch die Wirkstärke der Waffen berücksichtigt und dabei mit möglichst geringem Bodycount auskommt. Die Quadratur des Kreises, quasi.
Schauen wir uns das Anforderungsprofil an den Spieler in einem Shootout näher an. Unterteilen lässt es sich grob in drei wesentliche Punkte:
– Movement (Weg- und Deckungsfindung, Höhenanpassung)
– Aiming (Gegnererfassung, Visierwechsel, Fadenkreuzausrichtung)
– Taktik (explosive Levelarchitektur finden, Waffenwahl, Munitionswahl, Tötungsreihenfolge aufstellen)
1. Movement:
Der Mensch ist ein motorisch komplexes Wesen, dessen sich aus unzähligen Gelenken und Muskelpaaren gebende Bewegungsvarianz, nur schwerlich abzubilden ist. Eine Vereinfachung der möglichen muskulären Interaktionen in zusammenfassende Bewegungskomplexe, derer jeder eine exklusive Ausrichtung zur Folge hat, ist daher unumgänglich.
Das hat allerdings zur Folge, dass die Bewegung des Spielers (nach kurzer Trainingsperiode) keine Herausforderung mehr darstellt. Sie ist im Wesentlichen nur noch Taktgeber der Spielgeschwindigkeit und -schwierigkeit. Denn da der generelle Bewegungsradius begrenzt, und die Laufrichtung durch die Levelarchitektur, die narrative Aufgabenstellung und die Gegnerplatzierung vorgegeben ist, bestimmt der Bewegungsdrang des Spielers die Menge der zu erledigenden Gegner pro Zeiteinheit.
Zudem ist die derzeitig vorherrschende Bewegungszusammenfassung ein reaktionsoptimierter, aber lebensfremder Kompromiss. Oder läuft jemand rückwärts genau so schnell wie vorwärts und bewegt sich seitwärts?
Dem Ziel der jederzeit gewährleisteten “Responsiveness” (also der Fähigkeit zu jeder Zeit aus jeder Position verzögerungsfrei die Wunschrichtung einschlagen zu können) ist aber nicht nur unrealistisch, sondern sie verhindert vor allem das pure Movement zum Gameplay, also einer spielmechanischen Herausforderung, zu machen.
Kern jeder Veränderung im Bereich des Movements ist es mehr Eingabemöglichkeiten anzusprechen, die vorhandenen Möglichkeiten neu anzuordnen, oder bekannte (und neue) Muster unter zeitlicher Spreizung zu alternieren. Hier sprechen wir von Kontextsensitivität. So wird es möglich bei begrenztem Input und damit verbunden niedriger Einstiegshürde, ein Füllhorn verschiedener Aktionen auszulösen. Der Nachteil ist der zunehmende Kontrollverlust bei unklarer Kommunikation der wandelnden Funktionalität des Tastendruckes. Gute Beispiele sind hier „Uncharted 3“ oder das Kampfsystem von „Batman“. Alles sieht smooth und großartig aus, gezielte Anforderungen an den Spieler können allerdings nicht mehr gestellt werden, weil das Spiel Reaktionen auf Aktionen selbstständig auswählt.
Um dem Spieler fortwährend die möglichst volle Kontrolle seiner Spielfigur zu garantieren, sollten kontextsensitive Mechaniken klar erklärt werden, und das Gamedesign sollte in seinem Anforderungsspektrum auf zeitliche Trennung der auf einer Taste liegenden Aktionen achten.
„Uncharted 3“ ist dabei kein Ausreißer. Generell ist in der Bewegungssteuerung derzeit ein Trend weg von der unmittelbaren Kontrolle der Spielfigur, hin zu einer Absichtsbestimmung zu sehen. Im Kampf in “The Witcher 2” oder “Assassins Creed” zeigen wir lediglich auf einen Gegner; die Wegberechnung und den ausholenden Hieb kreiert das Spiel in Abhängigkeit unser Position, möglicher Hindernisse und intervenierender Gegner. In “Deus Ex: Human Revolution oder “Splinter Cell: Conviction“, bewegen wir uns mittels vom Spiel vorgeschlagener Cursorplatzierung durch die Räume, markieren Gegner lediglich für dessen Exekution und bewundern diverse Nahkampfgeplänkel, die allein dadurch getriggert wurden, dass wir eine bestimmte Distanz zum Kontrahenten überwunden haben. In den inzwischen unzähligen Coverbased-Shootern wie “Crysis 2” oder “Gears of War” schmiegen wir und auf Knopfdruck an eine Mauer um uns ab diesem Moment vor Gegnerfeuer geschützt zu wissen.
So funktional diese Elemente auch sind, sie verwässern den simulativen Charakter von Spielen. Die Bewegungsfreiheit wird auf eine definierte Anzahl von “Stationen” beschränkt, viele Aktionen werden cineatisiert, verlieren also ihre interaktive Komponente.
Wenn wir das Beispiel der Deckungsfindung nehmen, sehen wir das eingangs erwähnte Problem der Trivialisierung des Movements und den zu starken Fokus auf das Tötungsmoment. Da jede Levelstruktur als Deckung dient (was im Sinne der Glaubwürdigkeit des Szenarios auch notwendig ist), der Spieler nach der Wandfindung automatischen Schutz erwartet, dauert es nur einen viel zu kurzen Augenblick, bis er nach Sichtung einer Bedrohung -in schussbereitem Zustand- auf die Gegnerscharen ansetzen kann. Wenn man dem typischen Gegner eine Lebenszeit von 15 Sekunden zugesteht, könnte man mit jeder Minute(!) die der Spieler mit aktiver Wegfindung und Deckungssuche beschäftigt ist, ganze 4(!) Gegner sparen.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Suche nach Deckung eine Herausforderung beinhalten, der Spieler muss zum Deckungswechsel gezwungen werden und auch in Deckung muss der Spieler zwischen seinen Salven angehalten werden seine Position nachzuführen.
Das Prinzip des Deckungswechsels wird bereits verfolgt. Allerdings mit zweifelhaften Maßnahmen. In “Uncharted 3” sind dafür beispielsweise Granaten zuständig die in regelmäßigen Abständen und aus den unmöglichsten Positionen heraus auf den Spieler geschleudert werden. In “Gears of War” greifen Gegner hingegen ohne lebenserhaltende Rücksicht die Deckung des Spieler im Nahkampf an und verharren an dieser Stelle (um dem Spieler den Rückzug bzw. Weiterzug zu ermöglichen) das Ziel wird in beiden Fällen teuer mit Einbußen in der Glaubwürdigkeit des Szenarios erkauft.
Ich präferiere hier eine (teure) Lösung der mehrteiligen Zerstörung aller Deckungselemente oder aber das Einschießen auf ein Ziel bei Stillstand des Spielers. Dabei muss die Schussabgabe der Gegner so gesteuert werden, dass sie gemeinsam in Intervallen schießen, deren Pausen mit der Verweildauer des Spielers an einem Fleck immer geringer werden (die Gegner “lernen” zeitversetztes Nachladen ihrer Magazine) bis der Spieler gar keine Chance mehr hat, seinen Kopf aus der Deckung zu heben.
Will man sich den Aufwand der Zerstörbarkeit sparen kann man durch grafische Elemente (Partikel wie Staub, Funken, Dreck oder den psychischen Zustand simulierende Hud Verzerrungen) ein Verweilen in der Deckung verhindern.
Im Bereich der Deckungssuche plädiere ich für eine Analogisierung der Spielerhöhe. Der Status quo zeigt sich auf dem folgenden Bild:
Der Spieler hat im besten Fall die Auswahl zwischen drei “Höhenzuständen” wobei das Deckungssystem immer nur für zwei Höhen ausgelegt ist. Daraus resultiert auch die Tatsache, dass alle Deckungen immer die gleiche Höhe haben. Auf offenen Schlachtfeldern läuft der Spieler deshalb auf dem Weg zu einer Deckung immer im Kugelhagel auf diese zu, da deren Höhe unter der Laufhöhe des Spielers liegt.
Wenn die Höhe stufenlos (z. B. über das Mausrad) justiert werden kann, können auch Hindernisse jede Höhe aufweisen, was zum einen der Natürlichkeit der Szenarien zuträglich ist, vor allem aber spielmechanisch genutzt werden kann. So könnte man die Zeit der Waffenbereitschaft nach Deckungssuche von der Diskrepanz von Spieler- zu Deckungshöhe im Moment der Deckungsfindung abhängig machen (Bsp.: Läuft der Spieler aufrecht auf eine niedrige Deckung zu schlägt eine Salve vor ihm in die Deckung ein. Er hechtet in Deckung, zieht seinen Helm gerade, richtet sich auf und ist erst dann schussbereit. Analog dazu: Kommt ein Spieler kriechend auf eine hohe Deckung zu, lehnt er sich gegen sie, richtet sich auf und setzt erst dann zum Zielen an). In Verbindung mit dem “Einschieß”mechanismus sind so bestimmte Deckungen in exponierter (und damit aussichtsreicher) Lage nur durch exaktes Ansteuern funktional. In der Summe wird der Spieler also bedeutend mehr mit der Suche nach Deckung als mit dem Zielen und Schießen beschäftigt sein. Sofern man ihm immer eine faire Rückzugsmöglichkeit bietet, (Treffer während der Deckungssuche sind dabei ein Tabu) intensiviert dieses System das Schlachtgefühl, und stärkt den Wert eines Abschusses.
Immerhin, so will man meinen, gibt es überhaupt Deckungssysteme. Den in ihnen offenbart sich eine Disziplin, die sonst sträflich mit Missachtung gestraft wird. Der simulierten Körperlichkeit des Spielers. Wann ist man das letzte Mal gestolpert? Hat sich an einer Kante gestoßen? Wurde von Bekannten umgerannt? All diese natürlichen Interaktionen finden in Spielen höchstens in gescripteten Zwischensequenzen statt. Die längst etablierten Ragdoll-Modelle beschränken sich immer auf Npc`s; den Spieler fichten sie nicht an.
Als Konsequenz auf die Starrheit der spielereigenen Kollisionsboxen fallen die Levels entsprechend leer und weitläufig aus. Denn da die Navigationsfähigkeit des Spielers gewährleistet bleiben muss, benötigen Gänge und Wege eine, durch die Breite des Spielers vorgegebene Mindestweite.
Nur wenige Spiele brechen aus diesem Schema aus. In “Assassins Creed” schlängelt sich Ezio elegant durch Menschenmassen, die bei unvorsichtiger Annäherung auch einen Widerstand für den Assassinen darstellen. Allerdings funktioniert der Mechanismus vollkommen automatisiert.
Eine spielmechanische Herausforderung geräuschlos oder unbeschadet durch Engstellen der Levelarchitektur zu kommen besteht so nicht und wird (wenn überhaupt) allein auf akustischer Ebene ausgetragen (im Sinne verschieden lauter oder schneller Bodenbeläge).
Als Variation zum normalen Movement wäre eine zuschaltbare analoge Abfrage der Spielerbewegung unter Berücksichtigung von Fliehkräften, der Physik umgebender Gegenstände und vorhandener Hindernisse Spielspaß fördernd. Folgendes Schaubild zeigt eine Möglichkeit:
Während die grobe Bewegungsrichtung weiterhin per Tasten vorgegeben wird, ist der Spieler für die Balance und die Bewegung des Körpers zuständig. Er bekommt dafür ein transparentes Dreieck angezeigt, in dessen Fläche die Mausbewegung in Körperbewegungen umgesetzt wird. Eine Ansteuerung der rechten oberen Ecke bedingt z. B. eine Gewichtsverlagerung: Der Spieler lehnt sich nach rechts. Bei einer Mausbewegung nach unten duckt sich der Spieler, bei einer Mausbewegung nach oben hebt er die Beine. Mittels eingeblendeter Linien in dieses Dreieck können kommende Hindernisse (die in der Szene natürlich sichtbar sind) schematisch eingeblendet werden, was die Bewegungsabschätzung erleichtert.
Natürlich ist dieses Prinzip nur ein optionales und Zuschaltbares (beim Rennen oder Schleichen bspw.), weil es die Maus zur Körperbewegung reserviert, und ein gleichzeitiges Zielen und Umsehen so verhindert wird.
2. Aiming
Wenn wir heute von Zielen sprechen, dann meinen wir damit die, mit einem zentralen Cursor markierte, Ausrichtung der Blickrichtung auf einen Gegner. Da wir aber nicht mit Blitzen aus den Augen schießen, sondern dafür eine Waffe in den Händen halten, dürfte die Blickrichtung nur in einem definierten Punkt die Waffenrichtung schneiden. Bei Beibehaltung dieses Schnittpunktes dürfte an der Stelle des Cursors in differierenden Abständen kein Treffer zu erreichen sein, wie folgendes Schaubild zeigt:
Spiele legen also die Waffenzielrichtung mit der Blickrichtung zusammen. Das tun sie nicht ohne Not, denn die Eingabemöglichkeiten sind begrenzt, und eine dritte analoge Abfrage (Movement, Blickrichtung und nun: Zielrichtung) eines zweidimensionalen Feldes (wie es die Maus oder Joysticks bieten) geben aktuelle Eingabegeräte nicht her (am PC faked man ja sogar das Movement durch ein Quartett digitaler Tasten). Das Dilemma wird sich erst mit zuverlässigem Headtracking lösen lassen. Oder aber man löst die zeitliche Simultanität dieser Anforderungen. Radikal tun dies Railshooter, indem sie die Bewegungskontrolle verweigern, und Laufwege automatisieren. Weniger radikal geht man in der Branche dazu über, dem Spieler das Fadenkreuz zu nehmen, und an seiner Statt einen zusätzlichen Zielmodus anzubieten: Den Kimme-Korn-Modus.
Dessen Bestreben ist es die Simultanität von Bewegung und Schussabgabe zu trennen um realistischer zu wirken. Leider beschränkt sich dessen Implementierung auf eine gezoomte Version des Standardschemas: Durch verschiedene Visierarten richten wir den Bildmittelpunkt auf den Gegner aus, und drücken die Maustaste des Todes.
Hier verschenkt man die freiwerdenden Richtungstasten (wenn man annimmt, dass Bewegung während des Zielens unerwünscht ist), die man zur Nachbildung eines “echten” Kimme und Korn Modus’ gebrauchen könnte. Jener setzt sich aus folgenden beweglichen Ebenen zusammen:
Kimme, Korn und Blickrichtung müssen auf einen Punkt (dem der Gegnerposition) ausgerichtet werden. Wenn man die Blickrichtung mit dem Korn zusammenführt (in der Annahme, dass man das Gewehr im immer gleichen Winkel am Körper hält), bleiben zwei Bewegungsebenen: Jene der Kimme, die auf den Gegner ausgerichtet werden muss, und eine Zweite (die durch die freigewordenen Richtungstasten gesteuert wird), die das Korn auf die Kimme ausrichten muss. Nur bei Übereinstimmung aller drei Punkte führt der Schuss zu einem Treffer.
Das Resultat wäre eine bedeutend abgesenkte Trefferwahrscheinlichkeit (gerade wenn sich Gegner in Bewegung befinden), und -damit einhergehend- ein geringerer Bodycount. Als Ausgleich könnte man das Streuverhalten einer Waffe (dessen Berechnung dem Spieler gegenüber ein Akt der Willkürlichkeit ist. Denn er hat die Anforderung des Zielens eigentlich gemeistert, durch das Auswürfeln von Schussbildern wird seine Leistung aber nicht honoriert) senken bzw. abschaffen.
3. Taktik
Der Spieler, und das ist ganz alte Videospielschule, ist in seinem Tun immer ein Eindringling. Natürlich soundso legitimiert, infiltriert er von Gegnern besetzte Levelfragmente, in dem er sich den Schergen mit voller Verve entgegenwirft. Für die Jungfrau, die Rache, den Weltfrieden. Einer (bis zunehmend vier) gegen Alle. Dabei entsteht aber ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn wenn Gegner das Terrain kennen, die Platzwahl haben und eine reine Verteidigungsmission begleiten, wie will man erklären dass der Spieler sie trotzdem nach Belieben dominiert? Alles eine Sache des Skills?
Nicht zwangsläufig, es lassen sich auch erklärende Szenarien finden. So geht man in “Crysis” als klar definierter “Übersoldier” in die Schlacht, in “Gears of War” wiederum gegen eine kognitiv benachteiligte Rasse (die Locust).
Wenn man aber der Logik des „Skills“ folgt, dann muss man auch Spielmechanismen bieten, die ein Ausleben dieses Gedankens zulassen. Ein ganz schlimmes Negativbeispiel ist hier „Battlefield: Bad Company 2“, dass den Gegner immer in aussichtsreicher Position platziert, und dem Spieler durch sein beschränktes Tun in beengenden Korridoren keine Möglichkeit gibt taktisch zu agieren. Man frisst im Endeffekt einfach nur mehr Blei um gegen die Terroristen zu triumphieren.
Bei Konfrontation mit einer Übermacht sollte der Spieler immer die Gewissheit haben, dass jeder Gegner potenziell tödlich ist. Nur so schafft man Respekt vor dem Feind, der dann auch erzählerisch eingesetzt werden kann. Dass in der Spielerschaft das Bedürfnis eines echten Bedrohungs- oder Herausforderungsszenarios vorhanden ist, sieht man nicht zuletzt an der Glorifizierung solcher Spiele wie „Dark Souls“ oder auch „Super Meat Boy“. Beide wählen als Mittel der Herausforderungsbewältigung allerdings die Repetition und das Auswendiglernen ganzer Spielpassagen. Eine bessere Formel wäre eine solche, deren Dynamik ein Ausbügeln von Fehlern während des Tuns und vor dem Sterben ermöglicht, in deren Grenzen der Spieler aber durch sein Wirken einen feststellbaren Unterschied macht.
Grundlage einer solchen sollte es sein, den Spieler unter Druck Komfortfeatures an die Hand zu geben, um ein Ableben zu verhindern, ihn im Umkehrschluss aber viel eher und viel nachdrücklicher in solche Drucksituationen zu bekommen.
Schauen wir uns eines der modernsten Komfortfeatures, das „Auto Heal“, an, so wird ersichtlich, dass es zwar Sackgassenverhindernd wirkt (man hat in jeder Levelsituation die gleiche Menge Health-Points, mit denen der Gamedesigner arbeiten kann), allerdings mindert es die Wirkung auf den Spieler weil ein Motivationselement (dass des möglichst perfekten Spielens) wegfällt. Durch die fehlende Konsequenz (getroffen werden ist in Ordnung), treibt das System den Spieler zum offensiven Vorgehen, bestraft ihn aber gleichzeitig bei zu offensichtlicher Offensive durch diverse audiovisuelle Hud-Einblendungen (wer zur Hölle kam eigentlich auf die Idee, dass Blickfeld mit Bluteffekten zu verschleiern?).
Die Konsequenz des Auto-Heals zeigt sich in folgendem Diagramm:
Zwar ist die Nutzung der Autoheal Funktionalität dynamisch an jeden Spielstil anpassbar, sie spornt aber zur Nutzung des kompletten Hitpoint-Spektrums an. Und generiert damit Momente der Reizüberflutung, in denen Treffer, Hud-Verzerrungen, Feindhäufungen und Deckungssuche Adrenalin fördernd wirken, oft aber auch schlicht überfordern, und damit den Spielertod begünstigen.
Dem könnte man mittels einer automatischen “Rückholfunktion” (bspw. bei doppeltem Tastendruck auf die “Rückwärtslaufen-Taste”) entgegenwirken. Auf Druck bewegt sich der Spieler automatisch zur letzten verlassenen Deckungsmöglichkeit. So nimmt man den Druck aus den lebenskritischen Situationen, und behält trotzdem den taktischen Anspruch bei. (In der Annahme das der zuvor erwähnte “Einschießmechanismus”, der die Schussabgabe hinter der alten Deckung verhindert, verwendet wird).
Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, den chaotischen Zustand des Schusswechsels zu rhythmisieren. Ziel kann nicht die logische Simulation der Kampfhandlung sein, da sie den Spieler zur Chancenlosigkeit verdammt, und schlussendlich frustriert zurücklassen würde. Schusswechsel, Gegnerbewegungen, Trefferhäufigkeiten und Schadenswerte sind spielmechanische Elemente, die, in eine dem Spieler erklärbare und jederzeit nachvollziehbare Logik eingebunden werden müssen. Die Gesamtheit dieser Logik bestimmt dann das “Look and feel” eines Brands.
Grundlage jeder Spiellogik ist dabei die Spielerführung, und nicht dessen Bestrafung. Auf jede (eigene) Aktion muss der Spieler Zeit für eine Reaktion haben. Erst wenn er in dieser klar zu kommunizierende Zeitspanne wissentlich die (ebenso klar zu kommunizierende) Reaktion vermissen lässt, ist ein Verwundung (als Zeichen der Konsequenz) zulässig. Damit sind prozentuale Trefferwahrscheinlichkeiten der Gegner ein Tabu, denn auch wenn sie über die ganze Spieldauer gesehen die vorgegebene Schwierigkeit abbilden, bringen sie den Spieler in Einzelsituationen zum unmittelbaren Ableben.
Wenn jeder Gegner aber eine definierte (und positionsabhängige) Zeitspanne hat bis er den Spieler trifft, dabei aber audiovisuell auf sich aufmerksam macht (etwa durch ein sich dem Spieler näherndes Schussbild, visualisiert durch aufspritzende Patroneneinschläge im Sichtfeld des Spielers), und Gegner so platziert werden (oder sich dynamisch so platzieren), dass dem Spieler jederzeit Zeit zur Deckungsfindung gegeben wird, schafft man Fairness und verhindert nachhaltig ausufernde Save/Load-Orgien.
Um, unter Beibehaltung einer Rhythmisierung des Kampfes, das Vorankommen im Level zu gewährleisten, müssen Gegner zudem nachvollziehbar reagieren. Schießt man in deren Richtung, sollten sie selbstverständlich in Deckung gehen (immer Abhängig von der Menge der Gegner in Bezug zu der Masse der den Spieler unterstützenden Npc`s), und selbstmörderische Nahkampfattacken unterlassen. Weitergedacht bedeutet das, dass die Magazingröße (und damit die Schusssalvenlänge) das bestimmende Element des Deckungsabstandes wird. Wenn man nun Mitstreitern die Möglichkeit gibt, gezielte Levelbereiche unter Sperrfeuer zu nehmen, kann man aus geschickten Formationen Bewegungskorridore bilden, in denen man sich dem Gegner nähern kann, ohne beim Vormarsch Kugeln schlucken zu müssen. Das schlussendliche Erschießen, verkommt also zur Belohnung einer langwierigen Anstrengung. Einer Anstrengung, der der Gegner durch koordinierte Erwiderung der Vorstöße, in der Form einstudierter “Spielzüge” (vergleichbar mit einem Football-Spiel), natürlich entgegen zu wirken versucht.
Aus diesen Zutaten lassen sich Arenen formen, in denen das bloße Vorpreschen taktisches Verständnis, spielerisches Vermögen in der Bewegung und vorausschauendes Agieren verlangt. Eine komplexe, sich immer wieder neu entfaltende Beschäftigung also. Und das schon vor dem allerersten abgegebenen Schuss.