Point&Click&Gähn?

Der Last der, nostalgisch zu Fixsternen erhobenen Spieleklassiker aus der Spieleschmiede „Lucas Arts“ zum Trotz, hat in den vergangenen Jahren ein beständig anschwellendes Rinnsaal toller Unterhaltungsperlen die Nische der Point&Click Adventures angefüllt. Und das ohne deren Technologische sowie zeit- und milieuprägende Bedeutung. Sprich: ohne vergleichbare monetäre Ausstattung.

Wirtschaftlich über den Krabbeltischofferten vom Schlage der Windows-Puzzler und Wimmelbild-Klone, aber weit unterhalb moderner 3d-Produktionen angesiedelt, punkten Vertreter dieser Gattung weniger durch technische Exzellenz, als viel mehr durch Geschichten und Plots, die an Vielseitigkeit und Tiefgang, von keinem andern Genre auch nur näherungsweise erreicht werden.

Von den psychedelischen Gewaltstudien eines Overcklocked, zu den skurrilen Welten der ausbrechenden Edna, von stiller Bilderkunst in Machinarium zu moralisierenden Serious-Games wie „A new Beginning“ oder „15 Days“; in vielen Adventures wird solcherlei Kost zelebriert, die in der AAA-Titelplanung unter Zielgruppenbeschneidend fallen würde.

Was sich unterdessen überhaupt nicht gewandelt hat, ist die eingesetzte Spielmechanik. In 15 Jahren war und ist die Hotspot Anzeige der bedeutendste evolutive Ansatz dieses einstmaligen Dinosauriers. Adventures sind inzwischen die wohl konservativste Art der Computerspielunterhaltung.
Noch immer definieren wir Adventures als eine Abfolge von Bildern, deren Hotspots es zu entdecken gilt, und auf deren Oberfläche sich akustische Szenenbreschreibungen, zu extrahierende Grafiken und Input verlangende Trigger tummeln.

Kernelemente sind demnach die Exploration und Abtastung (sowohl optisch als auch mit der Maus) der Bildhintergründe, die Kombination der extrahierbaren Gegenstände, der Konsum verknüpfender Cut-Scenes und die Gesprächsführung mit Npc`s.

Mit dem Ziel, eine Geschichte erzählt zu bekommen. Vergleichbar etwa einem Bilderbuch, dessen Seiten aneinanderkleben, und deren Inhalt sich nur nach Lösung bestimmter Problemstellungen (Nutze Topf mit Wasserhahn und Bunsenbrenner, lege einen Gitterrost darüber, und löse die Seiten im Wasserdampf mittels Pinzette aus Sushistäbchen und Einmachglasgummi) offenbart.
In ihrer streng linearen Struktur, in der dem Spieler Interaktivität nur nach künstlich eingeworfenen Plotstoppern (den Rätseln) vorgegaukelt wird, unterscheiden sie sie sich von vielen anderen Genres, in denen eine interaktive Spielmechanik die Grundlage bildet, und erzählerische Momente, eine mehr oder minder lose, Bandage um die Gesamtheit der Spielmomente schnüren.

Der große Vorteil dabei ist, dass die Spielmechanik der narrativen Hülle nicht entgegengesetzt, sondern in ihr agiert.
Wo z. B. in Shootern die effektgetränkte Erschießung bös gesinnter Hundertschaften, das Spiel mit Deckung und Offensive, das Gunplay und dessen explosive Gewaltigkeit kernbildend sind, und vom narrativen Warum und Wohin durch ihre Sinnesreizung nur ablenken, pausiert der narrative Strang in Adventures im Interaktionsfall. Und lässt den Spieler durch die fehlende zeitkritische Komponente in diesen Momenten innehalten, Atmosphäre tanken und die Logik des Erlebten rekapitulieren.
Der große Nachteil, allerdings, ist die unverhohlen dargelegte Spiellogik, die, einfach zu durchschauen, aus der Mechanik resultierende Spannung durch Überraschung unmöglich macht. Das adrenalisieren des Spielers wird daher in die Zwischensequenzen ausgelagert. Und die tragen als CGI- oder Realfilmchen ein anderes Grafikgewand und brechen so mit der Grafikkonsistenz.

Zudem beschränken sich die Problemlösungsansätze, und deren einzusetzende Mittel, nicht nur auf einfache Reaktionsschemata und die Wahl der Waffe, das Adventure offeriert durch glaubwürdig gestaltete Szenerien ein Füllhorn an Gegenständen und Problemlösungsvariationen. Und beschränkt den Erfolgspfad doch auf genau eine durchführbare Aktionslinie, deren Logik der des Designers und nicht des Spielers folgt.
Und so pilgert man mehrere Male pro Spiel auf dem demütigen Gang zur Spielelösungsinternetseite der Wahl, um schnell, hastig und mit halbgeschlossenen Augen und schielendem Blick, die genaue Stelle des Lösungsversprechen zu finden, ohne sich versehendlich bereits um den Knobelspaß der folgenden Stunden zu bringen. Um eine fast immer triviale, unlogische oder schlicht übersehene Lösung präsentiert zu bekommen, die einen wütend und ohnmächtig zurücklässt.
Eine Lösung um solche Momente zu minimieren ist sicherlich die immer stärker ins Spiel eingebundene Spielhilfe. Das Aufrufen eben jener ist aber immer ein Akt des Versagens, eine Resignation des eigenen Intellekts vor den Hürden des Gamedesigns. Was umso wütender macht, wenn viele naheliegende Möglichkeiten nicht verfolgt werden können, weil deren Durchführung für ein Adventure zu trivial wäre (Axt  Tür).

Man sollte deshalb dazu übergehen, mehrere Lösungswege zu implementieren. Aufgeteilt in die Kategorien:

– Brachial
– Normal
– Raffiniert

So hat man immer verschiedene Schwierigkeitsstufen zur Auswahl. Da man aber nicht realisiert welche Kategorie man beim Lösen gerade benutzt, (zumindest nicht beim ersten Durchspielen) können keine Minderwertigkeitsgefühle oder Zweifel an der eigenen Intelligenz aufkommen.
Doch warum bei den mitgelieferten, einfachen Rätsellösungen noch komplexere Gedankengänge starten, wenn sie keine Belohnung triggern?
Für jede Rätsellösung sollte es einen internen Score geben. Je komplexer das Rätsel, desto höher der Score. Dieser Score kann dann als Storyweiche und Gesprächsselektion genommen werden. Je nach Ausrichtung des Spielers erlebt er so eine leicht andere Gesprächsführung und verschiedene Storyverläufe. (Man stelle sich nur verschiedene Love-Interest`s vor, die, je nach Spielverlauf, unterschiedlich ausgeprägte Paarungsbereitschaft aufzeigen. Harrrr.)
Story-Weichen, und die Verästelung des Plots, kosten natürlich Geld, weil sie ohne Erhöhung der Spielzeit, ein substanzielles Plus an Dialog, grafischen Assets und Szenerien brauchen.

Es ist daher vonnöten, an anderer Stelle Einsparungen vorzunehmen.
Es böte sich z. B. eine Rückbesinnung auf die eigentliche Stärke des Adventures, nämlich den Plot und die Erzählung, an. Man könnte sich daher dem Hörbuch anlehnen, und Zwischensequenzen nur noch als illustrierte Erzählungen, oder, noch atmosphärischer, parallel während des Spielens (in interaktionsbefreiten Bereichen, ähnlich der Rockstar`Schen Erzählpolitik während des Fahrens oder Reitens) darbieten. Im filmischen Bereich kann man den Vorbildern sowieso nicht das Wasser reichen.

Spannender wäre die Einführung einer zeitkritischen Komponente. Was erst einmal völlige Entrüstung im vorrentnerlichen Zielpublikum auslösen mag, kann, wie in Fahrenheit bewiesen, durchaus die Intensität erhöhen, ohne frustrierend zu wirken. Wichtig ist dabei Fairness und Vorbereitung. Wenn ich neben des Wirkens Baphomet`s Fluch locker kochen, häkeln oder dösen kann, weil das Gameplay die völlige Entspannung offenbart, ich kurz vorm Ende aber erschossen werde, weil ich des Gegenübers Waffe nicht innerhalb von Sekunden unschädlich gemacht habe, darf ich als Gamedesigner keinen Beifall erwarten. Wenn beginnender Zeitdruck aber erzählerisch vorbereitet wird, während der zeitkritischen Komponente die Handlungsanweisung klar ersichtlich ist, und immer ein naheliegender Exit-Point (in diesem Beispiel der brachiale Lösungsansatz) in Reichweite ist, dann können einige wenige kurze Phasen dieses mentalen Stresses, die Glaubwürdigkeit und den Respekt vor dem restlichen, ruhigen Teil erheblich stärken. Was allemal besser ist als ein Dogfight über den Anden, in dem ich vor, und nach dem Klogang der Dringlichkeit des Agierens wider das gegnerische Board-MG gemahnt werde.

Ein anderer, bisher sträflich vernachlässigter Teil sind Konversationen mit Npc`s. Im Besten Fall als „Multiple Choice“ (ehrlicher: „Multiple Klick“) angeboten, durchklicken wir vorgegebene Satzfragmente um längst entschiedene Entwicklungen nähergebracht zu kriegen. Die Gesprächsführungen dienen eigentlich immer nur der Protagonistencharakterisierung oder der Geschichtsführung, bergen aber nie eine eigene Spielmechanik. Und verschwenden dabei sehr günstig zu produzierende Verweilzeit.
Dabei zeigt z. B. ein „Phoenix Wright“ wie man ohne großen Aufwand durch das Überprüfen, Investigieren und Anzweifeln vorgesetzter Aussagen und der Konfrontation des Npc`s mit bereits erbrachten Schlussfolgerungen und Beweisstücken, tief greifende und befriedigende Spielzeit generiert.

Es wäre sehr zu wünschen, wenn sich das großartige Nischengenre „Adventures“ nicht nur im narrativen Bereich intelligenter Plots, sondern auch im spielmechanischen Bereich einiger Erneuerungen bedienen würde.

Um sich endlich vom Lukas Art`Schen Nimbus emanzipieren zu können.

 

11 Kommentare

  • Mein Reden: Die ganzen Adventures der letzten 10-15 Jahre sind vollkommen überflüssiger Lucas Arts-Gedächtnis-Schrott, den die Welt nicht braucht. Anstatt sich sinnvoll weiter zu entwickeln, basiert das ganze Genre seit Jahren auf Stillstand und Huldigung der Meilensteine. Get ahead or cut this crap!

  • Manu schrieb:

    Toller Artikel. Viele spannende Ansätze!

  • Hehe, danke!

    Muss ich doch kein dickes “Tagebuch” in den Header klatschen ;-)

  • Ein kleiner Baustein fehlt mir im Artikel noch – der diebische Spaß, den das reine Gegenstände-Ausprobieren in einem gut geschriebenen Adventure bietet. Hier nehme ich gerne das Beispiel Day of the Tentacle, wo ich in deutlich unter einer Stunde durchrauschen kann. Oder stundenlang probieren kann, die Tinte an allen möglichen Leuten auszuprobieren und dafür lustige Kommentare zu ernten.

    Die Etablierung mehrerer Lösungswege ist ganz sicher eine wichtige Idee für dieses Genre. Loom hatte das in Ansätzen – oder zumindest aus Versehen. Zwei oder drei Rätsel ließen sich mit alternativen Melodien lösen. Indy 4 kannte verschiedene Spielstile, die zu unterschiedlichen Rätselketten führten. Wenn man das so sehen möchte, hat Stacking das in jüngster Zeit versucht mit einem außerordentlich einfachem Minimallösungsweg aber möglichen alternativen Lösungsansätzen, die komplizierter sind.

    Bis auf ein paar zusätzliche Animationen und mehr aufzunehmende Dialogfetzen sehe ich dabei nichtmal einen deutlich erhöhten Entwicklungsaufwand.

  • Ja, dieses, durch dümmliche Aktionen (willkürlich Gegenstände kombinieren) Interaktion generieren, ist ja im Grunde eine dem Spiel innewohnende Persiflage seiner selbst.

    Benutzt wird es ja fast immer zu Charakterisierung des Protagonisten. Und eigentlich auch nur in humoristischen Adventures.

    Trotz allem hat es eher den Charme von Easter-Eggs und der Aufwand sollte meines Empfindens nach lieber direkt in den Haupt-Plot fließen. Einfach weil die Charakterzeichnung so für jeden zur Gänze ersichtlich, und man nicht dazu getrieben wird sinnlose Aktionen zu tätigen.

  • […] Point&Click&Gähn? – Pixelzwist games adventure blog […]

  • Interessanter Artikel mit einigen spannenden Denkansätzen. Bezüglicher der Plots stimme ich weitesgehend überein, wobei ich ebenso wenig Adventures kenne, die sich die Spielmechanik auch dramaturgisch zu nutze mache. Grundlegend dafür ist doch beispielsweise, dass man keinen direkten Einfluss auf die Figur hat, sondern ihr nur eine Basis von Befehlen geben kann. Ausgehend von dieser Lage sind die allerwenigsten Adventurespiele entwickelt worden. Dabei finde ich bereits diese Einschränkung schon inspirierend.

    Man könnte das Subgenre der Escape-the-Room-Games dramaturgisch enorm aufwerten. Was, wenn ich einen Protagonisten spiele, der von einem Psychopaten in einem Gebäude gefangen gehalten wird? Gespräche laufen über von ihm kontrollierte Telefonleitungen, limitierte Interaktion mit der Außenwelt wäre dramaturgisch erklärt. Panic Room oder Saw als Adventure sozusagen. Die Konzentration auf einen Ort würde die Fokussierung auf Details ermöglichen und somit die Spielwelt lebendiger machen.

    Interessant ist und wäre es auch, mit der Mechanik auch die Situation des Spielers zu erklären. Den spannendsten Versuch in dieser Richtung habe ich in dem Spiel “Experiment 112″ gesehen, wo der Spieler in einem Überwachungs- und Kontrollraum eines Tankers gefangen ist und nur mit wenigen Mitteln mit einer Frau kommunizieren kann, die mit dem Spieler vom Schiff flüchten möchte. So verwaltet man Videofenster von dem Überwachungskameras, kann hier und da das Licht ein- und ausschalten oder Türen öffnen. Die Sprachanlage ist defekt, direkt mit der Frau sprechen kann der Protagonist also nicht. So muss man sie mit Signalen auf Dinge aufmerksam machen, oder sie vor Gefahren warnen bzw. schützen, die man schon sieht, bevor die Arme sie überhaupt ahnt.

    Experimente in dieser Richtung würde ich gerne mehr sehen, auch wenn ich das gesamte Adventure-Genre keinesfalls verteufeln kann. Die Statik stört, der Inhalt ist aber oft inspirierend. Für den völlig falschen Weg halte ich hingegen die Richtung, die Quantic Dream mit Heavy Rain eingeschlagen hat. Marionetten, an deren Fäden ich ziehe und dabei nur eine fest vorgegebene Bewegung ausführen können. Heavy Rain war eine bessere Variante der interaktiven Filme, die dem Adventure-Genre nicht unbedingt gut getan haben. In Braindead 13, Dragons Lair oder Cyberia habe ich Knöpfe gedrückt, während der vorgegebene Film ablief. Das gleiche mache ich in Heavy Rain. Bei aller liebe zum Art Design entsteht für mich da kein Gefühl der Immersion. Ich habe eher das Gefühl, eine interaktive Grafikdemo zu bedienen.

  • Pardon, das Spiel hieß “Experience112″.

  • Hm.. die Limitation des Spielers durch den Plot erklären zu wollen hat immer etwas von halbgarer Rechtfertigung ohne die Grundfeste des Genres sprengen zu wollen.

    Trotzdem klingen deine Ansätze logisch nachvollziehbar und im Nischenfall äußerst spannend.

    Das Adventuregenre verteufeln will und kann ich auch nicht. Ich würde es sogar als mein Lieblingsgenre bezeichnen. Weil der narrative Kern hier manchmal annähernd an Film oder Bucherzählungen rankommt und großartig audiovisuell untermalt wird.

    Zu Heavy Rain: Im Grund verzichtet es aber nur auf die Kombinationsmöglichkeit von sammelbaren Gegenständen. Und umschifft damit echte Immersionsbrecher (Denn wie oft wird man in höchst bedrohlichen Momenten dazu angehalten geradezu lächerlich verspielte Apparaturen zu basteln). Zugegeben: Vollkommen unelegant. Man könnte auch von einer Kapitulation sprechen.
    Das hat Blade Runner aber auch gemacht. Und trotzdem ist es für mich eines der besten je produzierten Adventures.

    Dieses Gefühl der Grafikdemo kommt meines Erachtens nach durch die starke Führung in Form einer GUI mit limitierten und kontextsensitiven Interaktionsspots. Das vermittelt ein Gefühl fehlender Freiheit und fokussiert den Blick auf das affige Gestensimulieren mittels eines dafür ungeeigneten Controllers.

  • Hmm… vielleicht eine Anmerkung, in Indiana Jones: Fate of Atlantis wird deine Idee der verschieden schweren Rätsel und ein Highscore in Form des Indy-Quotienten schon teilweise realisiert.
    Je nach gewähltem Weg und IQ war dann die finale Endsequenz etwas anders bzw. es offenbarten sich kleine Extraszenen/Sequenzen.

    Für den (unwahrscheinlichen) Fall das Du Indy IV also noch nie gespielt hast, mal anschauen. IMO das beste (klassische) Adventure aller Zeiten (und bis auf eine handvoll Szenen auch perfekt ohne Guide durchspielbar).

  • […] auf dem Bildschirm zu suchen und darauf zu klicken. Dennoch bietet es für das oft todgesagte Genre des Adventure Games auch einige Neuerungen die durchaus interessant sind. So schafft es Machinarium zum Beispiel eine […]

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